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freischwimmen – Kunstausstellung im Freibad

Dialog am Beckenrand.

Zum zweiten Mal findet im Sommer 2025 mit „freischwimmen – Kunst im Bad“ ein ungewöhnliches Ausstellungsprojekt im Schlossbad Erwitte statt. Nach dem erfolgreichen Start 2023 verwandelt Petra Lüning das Freibad erneut in einen temporären Kunstraum: seit der Saisoneröffnung am 18. Mai können verschiedene künstlerische Interventionen inmitten des Schwimmbetriebs entdeckt werden – in der Umkleide,  unter Wasser und am Beckenrand.

Im Gespräch mit Petra Lüning, Künstlerin und Ausstellungsmacherin

Der Titel „freischwimmen“ ruft verschiedene Assoziationen auf und kann unterschiedlich gedeutet werden. Wie bist du darauf gekommen?

Die Homepage kunstimbad.de hatte ich schon länger. Für die Ausstellung 2023 wollten wir eine Ergänzung zum Titel. Die Wörter „Auftauchen“ und „abtauchen“ hatten aber auch irgendwie negative Assoziationen und so hatten wir uns für die erste Ausstellung gedacht, dass „freischwimmen passt“. Aber vielleicht kommt auch noch einmal etwas anderes.

Was ist dein Bezug zum Schlossbad Erwitte? Bist du hier schon als Kind geschwommen?

Sicherlich bin ich hier auch schon als Kind geschwommen, kann mich aber eher an das Waldfreibad in Anröchte, an das ehemalige Hallenbad und an das Freibad am Jahnplatz in Lippstadt erinnern. Wir haben in der Region noch einige schöne Freibäder, die in den Sommerferien eine Kooperation haben. Mit einer Saisonkarte können alle Bäder besucht werden.

War es deine Idee hier Ausstellungen zu machen oder wurdest du von den Betreibern des Freibads gefragt?

Es war meine Idee. Bereits 2009 hatte ich eine kleine Wochenend-Ausstellung in der ehemaligen Jungen-Sammelumkleide organisiert. Damals waren es drei Künstler. Diese grau geflieste Sammelumkleide gibt es leider nicht mehr. Der Raum wurde entkernt und beinhaltet jetzt die neuen Sanitärräume. Als ich 2018 im Schlossbad schwamm, hörte ich dass auch die Mädchen-Umkleide und der alte Umkleidebereich mit den Spinden entkernt und als Lager genutzt werden sollen. Da mir die Ästhetik  dieser Räume so gut gefällt, hatte ich den Vorstand angesprochen. Danach bin ich mit der Planung von „Kunst im Bad“ gestartet.

We reagieren die lokale Bevölkerung und die Schwimmbadgäste?

Ganz unterschiedlich. 2023 haben wir viel mehr in den Schwimmbetrieb eingegriffen. Das kommt teilweise sehr gut an. Oft sind die Besucher:innen erstmal überrascht, weil wir Dinge im Freibad machen, die man nicht erwartet. An einen besonderen Moment von 2023 kann ich mich gut erinnern. Dagmar Olshausen hatte eine Führung mit Geigen und Improvisation angeboten. Bei der Liegewiese angekommen, waren einige Freibad-Besucher sehr erstaunt über die Frau mit Hut und Geige. Handys wurde beiseite gelegt und es wurde einfach zugehört. 

Du hast über den Sommer verteilt drei Vernissagen und ein umfangreiches Rahmenprogramm geplant. Das bedeutet viel Logistik, oder?

Ja, das stimmt, Aber für das neue Format habe ich aufgrund der Erfahrung aus 2023 anders geplant. Wenn man alles gleichzeitig macht, kommt vieles zu kurz. Mir ist besonders der Austausch mit den einzelnen Künstler:innen wichtig und so entstand die Ideen mehrere Vernissagen zu veranstalten. Außerdem haben die Freibad-Besucher:innen die ganze Saison über die Möglichkeit Neues zu entdecken.

Personalmangel und steigende Energiepreise sind ein Problem für viele Freibäder. Gleichzeitig sind sie – besonders im ländlichen Raum – ein wichtiger Treffpunkt für Sport und Freizeit. Kommen durch „freischwimmen“ mehr Menschen hierher?

2023 hatten wir sogar in der Septemberwoche noch über 3400 Besucher. Es waren damals allerdings 32 Grad. Ob die vielen Besucher:innen wegen der Kunst oder des  guten Wetters kamen, weiß ich leider nicht. 😉

Du stellst mit aus. Wie gelingt deine Mehrfachrolle als Künstlerin, Ausstellungsmacherin und Vermittlerin?

Mit Planung und Aufgabenteilung. Zur zweiten Vernissage habe ich die Organisation für die darstellenden Künstler:innen und das Rahmenprogramm an Anja Jacob übergeben. Somit kann ich mich jetzt um das Aktualisieren der Website, Instagram und um meine eigenen künstlerischen Arbeiten kümmern. Die werden dann zur Finissage auftauchen.

Wie wird das Projekt finanziert?

Aus Einzelspenden. Da erst im April klar war, dass das Bad überhaupt öffnen kann, waren wir viel zu spät für öffentliche Förderungen. Wir sind an die Banken, also die Sparkasse und die Volksbanken herangetreten. Im letzten September hatten wir bereits einen Antrag beim Kulturausschuss der Stadt gestellt. Außerdem unterstützt uns ein Supermarkt und eine IT Firma, die uns auch bei technischen Problemen unterstützt.

Kommen wir zur Auswahl deiner Künstler:innen. Arbeiten wie die „Klangdusche“ von Anno Weihs und die Installation des Künstler-Kollektivs „Protoplast“ sind ortsspezifische Installationen. Wie gewinnst du Künstler:innen für „freischwimmen“?

Wir nennen uns ja jetzt schon scherzhaft Insta-Connection. Mit fast allen neuen Künstler:innen war der Erstkontakt über Instagram. Recht schnell wurde dann telefoniert. So habe ich schnell erkannt, wer gut dazu passt. Nach einem Treffen vor Ort wurden dann gemeinsam mit den Künstler:innen die jeweiligen Orte ausgewählt. Mit dem Künstlerkollektiv „Protoplast“ waren es Videocalls am Beckenrand.  Und so sprang dann die Begeisterung für das Freibad als besonderer Ort über.

Vielen Dank für das Gespräch!

Die teilnehmenden Künstler:innen

Entdeckungen am Beckenrand und unter Wasser

Vielfältig und mit Bezug zum Freibad sind alle ausgestellten Kunstwerke. Ein markantes Highlight bereits zu Saisonbeginn war Jenna Gesses großformatige Bodeninstallation im 50-Meter-Becken mit dem Titel „Sie haben ihr Ziel erreicht“ – ein augenzwinkernder Hinweis auf Orientierung, Bewegung und Sehnsuchtsorte als Ziel. In einer App oder einem kleinen Heft können Schwimmer:innen ihre Bahnen zählen, eintragen und sehen, wie weit sie schon gekommen sind. Ob Stirpe, Sylt oder Mallorca – geschwommen wird auch gemeinsam und der aktuelle Stand aller registrierten Bahnen im Freibad vermerkt.

Im „Gelben Salon“ – der ehemaligen Mädchenumkleide ist eine Installation des Künstlerkollektivs Protoplast zu sehen, die architektonische Gegebenheiten mit der Bewegung der Badenden verwebt.

In der „Klangdusche“ von Anno Weihs gibt es originale Schwimmbadgeräusche statt Wasser.

Besonders ist, dass die künstlerischen Arbeiten nicht sofort sichtbar sind, sondern in dem weitläufigen Gelände entdeckt werden können – so auch die „Schwimmer“ und „Nichtschwimmer“ von Susanne von Bülow.

Mehrwert & Herausforderungen für Erwitte und Besucher:innen

Ein Dritter Ort mit kulturellem Potenzial

Ein Freibad ist typischerweise ein informeller Begegnungsort – ein Dritter Ort, der nicht Zuhause und nicht Arbeitsplatz ist. Durch freischwimmen wird dieses Potenzial als öffentlicher Kunstraum sichtbar und erweitert.

Ein Projekt, das Stadt und Öffentlichkeit verbindet

Für die Stadt Erwitte und das Schlossbad bedeutet das Projekt einen kulturellen Mehrwert: Sie positionieren sich als kreative und teilhabeorientierte Gastgeber:innen. Gleichzeitig eröffnet „freischwimmen“ Themen für Nachbarschaft, Bildung und Stadtentwicklung.

Kunst im Freibad bedeutet viel Arbeit

Die Kunst liegt im Spannungsfeld zwischen künstlerischer Qualität und schwimmbadtypischen Bedingungen: Wetter, Feuchtigkeit, Publikumsverhalten, Sichtbarkeit der Arbeiten. Diese Faktoren erfordern flexible Konzepte – von der Materialwahl bis zur Kennzeichnung vor Ort. Eine weitere Herausforderung – und zugleich Chance – besteht darin, die Wirkung über den Sommer hinaus sichtbar zu machen: etwa durch Begleitpublikationen, Workshops, Dokumentation oder übertragbare Konzepte, die weiterführen, was „freischwimmen“ anstößt.

Informationen

Adresse: Schlossbad Erwitte,Graf-Landsberg-Straße 15a, 59597 Erwitte

Kontakt: Petra Lüning, kunstimbad.de

Künstler:innen: u. a. Susanne von Bülow, Jenna Gesse, Lenny Liebig, Protoplast, Ulf Reisener, Wolf-Dieter Tabbert, Anno Weihs, Ingo Warnke, Franz-Josef Laforet, Petra Lüning

Die Ausstellung ist bis September 2025 zu den regulären Schwimmbad-Öffnungszeiten und während der Sonderveranstaltungen zu sehen.

Text und Fotos: Simone Szymanski